Klimawandel-Fakes mit neuer Argumentation

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Jörg Hofstetter

Jörg Hofstetter aus Luzern, ist ein pensionierter Informatik-Dozent mit Interessen in Datenanalysen, Energiewende und Klimawandel. Er veröffentlicht Analysen und Forschungen zu diesen Themen auf seinem Blog co2nettonull.com und als Gastautor auf Climartis.ch

Die jüngsten Äusserungen des zukünftigen Präsidenten der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Marcel Dettling, haben für Aufsehen gesorgt. In einem Interview [1] [2] betonte er, die Klimaerwärmung könnte für Bauern vorteilhaft sein, bekräftigte die Unvermeidbarkeit des Klimawandels und kritisierte die Zuschreibung der Schuld an den Menschen als moderne Form der Hexenjagd.

– Für die Bauern sei die Klimaerwärmung etwas Positives
– Der Klimawandel lasse sich nicht aufhalten
– Wenn man jetzt einfach dem Menschen die Schuld an der Klimaerwärmung gibt, sei das eine neue Form der Hexenjagd

Auf den ersten Blick überraschende Aussagen eines zukünftigen Parteipräsidenten. Ganz zufällig ist diese Provokation wohl nicht, wie eine Studie des „Center for Countering Digital Hate“ [3] zu neuen Argumenten von Klimawandelleugnern auf YouTube nahelegt. Laut dieser Studie, die auf einer Analyse von über 12.000 YouTube-Videos mittels KI basiert, hat sich die Argumentation von Fake-Videos zum Thema Klimawandelleugnung in den letzten Jahren gewandelt. Anstatt die globale Erwärmung an sich zu leugnen, werden nun zunehmend die Folgen und mögliche Lösungen in Frage gestellt.

Alte Argumentationen:

– Eine Erwärmung findet nicht statt
– Durch Menschen ausgestossene Treibhausgase sind nicht Grund für den Klimawandel

Neue Argumentationen:

– Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind nützlich oder harmlos
– Klimalösungen werden nicht funktionieren
– Die Klimawissenschaft und die Klimabewegung sind unzuverlässig

Es ist auffallend, wie die Behauptungen von Herrn Dettling genau in dieses Schema passen. Herr Dettling scheint sehr gut mit der Community der Klimawandelleugnung vernetzt zu sein.

Ich gehe allerdings davon aus, dass ihm längst nicht alle bei dieser Argumentation folgen werden. Die meisten Bauern wissen ganz genau, dass eine Klimaveränderung in der Schweiz kurzfristig einzelne Gewinner hervorbringen kann, die Landwirtschaft als Ganzes aber längerfristig leiden wird. Auch am stärkeren Migrationsdruck durch steigende Meeresspiegel in ärmeren Mittelmeer-Anrainerstaaten dürften nicht alle begeistert sein. – Im Übrigen hat der Klimaforscher Reto Knutti in diesem Beitrag auf SRF News sehr gut und besonnen auf die verstörenden Aussagen von Herrn Dettling reagiert [4].

In der Schweiz dürfte weiterhin ein breiter Konsens darüber bestehen, dass der drohende Klimawandel durch die Reduktion des Ausstosses von Treibhausgasen verhindert werden muss. Natürlich gibt es in der Frage des „richtigen Weges“ politische Differenzen, die möglichst rasch demokratisch geklärt werden müssen. Neben den dazu notwendigen technologischen Anpassungen muss dieser Wandel natürlich auch den Landschaftsschutz einbeziehen und Landwirten eine planbare Zukunftsperspektive bieten.

Originalartikel:

https://co2nettonull.com/2024/02/23/klimawandel-fakes-mit-neuer-argumentation-svp-kopiert/

Quellen

[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/marcel-dettling-und-das-klima-experte-widerspricht-klimaaussagen-des-kuenftigen-svp-praesidenten

[2] https://www.watson.ch/schweiz/klima/167606610-marcel-dettling-klimaerwaermung-ist-fuer-die-bauern-nicht-schlecht

[3] The New Climate Denial, Jan 24,  Center for Countering Digital Hate
https://counterhate.com/topic/climate-change-misinformation/

[4] Experte widerspricht Klimaaussagen des künftigen SVP-Präsidenten, ETH Professor Reto Knutti ordnet ein, SRF News, 19.2.2024
https://www.srf.ch/news/schweiz/marcel-dettling-und-das-klima-experte-widerspricht-klimaaussagen-des-kuenftigen-svp-praesidenten

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